Treffen in Prag
Ree und ich sitzen im Krankenzimmer. Rolf ist zurück. Es gab erneut Komplikationen. Die Nachbarn, Alex und Torsten stehen im Zimmer. Alle sind, gelinde gesagt, aufgeregt. Marita organisiert gerade mit den Ärtzten diverse Termine. Wir sind unsicher, was man sagen soll dazu. Daumen drücken ist angesagt. Marita kommt herein und berichtet. Rolf ist in der Not-OP. Wir müssen warten. Die drei verschwinden wieder. Zurück lassen sie einen dicken Klos im Hals. Ree und ich diskutieren eine Weile. Ree meint, das es schon wird, weil das halt so ist. Recht hat sie. Es ist immer noch Februar. Ich bin nun seit 4 Wochen an der künstlichen Ernährung. Das Fieber senkt sich langsam. Der Doktor geht täglich mit den Instrumentenen in den Bauch und kämpft sich Stück für Stück voran. Ich schaue in den Abendhimmel hinaus und denke: ‚Vor ein paar Tagen hast du noch gedacht, dass du nie wieder fliegen würdest‘. Nix da. Wir haben noch viel zu viel vor. Das Buch muss weiter gehen. Wo waren wir ? 1987.
In meiner Zeit als Lorenschieber war ich auf der Suche nach einer Herausforderung. Wir bereits erwähnt, spielte ich mit dem damaligen Computer aus der DDR herum. Die Grenzen waren schnell erreicht. Ein Zufall sollte mein Leben verändern, sofern es Zufälle gibt.
Hierzu muss ich etwas zurück gehen in der Vergangenheit. Die Freundschaften in der damaligen DDR hatten etwas Zusammenschweissendes. Immer wenn es Menschen nicht so gut geht, rücken sie zusammen. So war das auch in der DDR. Die Freundschaften wuchsen und wurden gepflegt. Ein Ritual war der Vatertag, welcher in der damaligen DDR geduldet, aber nicht erwünscht war. Also wurde natürlich dies als Protest genutzt. Jedes Jahr trafen (und treffen sich noch heute) die Herren, um für 4-5 Tage gemeinsam Zeit zu verbringen. Die Orte sind immer unterschiedlich.
Zurück zum eigentlichen Punkt. Eines der Reisen zum Vatertag ging nach Prag. Wir schreiben das Jahr 1987. Wir fuhren dahin, um in einen Lokal namens „U Fleku“ bei Schwarzbier die Freundschaft zu pflegen und Pläne für die Zukunft zu schmieden. Der Antrag auf Ausreise war gestellt, was wird uns wohl da auf der anderen Seite erwarten ? Steffen hatte nun seinen Laufzettel und wartete nur noch auf den Startschuss.
Während wir bei zünftigem Bier sitzen, kommen als Nachbaren ebenfalls Deutsche an den Tisch. Wenig später stellt sich heraus, die Leute sind von der anderen Seite. Innerhalb kurzer Zeit entstehen viele Diskussionen und Gespräche. Ich stitze neben Jürgen, Walrossbart, sein Markenzeichen. Ich hatte zu dieser Zeit lange, sehr lange Haare, Vollbart und war wahrscheinlich nicht mehr so richtig zu erkennen. Er fragt mich: „Was spielt ihr da ?“. Wir spielten „Strasse“, ein Würfelspiel. Ich frage zurück: „Und Ihr“. Sie spielten Eifelpoker. Der jeweilige hatte von dem anderen Spiel noc nie gehört. Also tauschten wir die Plätze. Jürgen nahm meinen Platz ein, ich seinen.
Der Funke springt über. Neue Freundschaften waren geboren. Innerhalb von 30 Minuten spielte keiner mehr. Es wurde diskutiert, gelacht, gesungen und getrunken bis in die späte Nacht hinein.
Im Laufe der nächste Tage sollte man sich noch öfter treffen. Abends gingen die Leute jenseits der Mauer ins Hotel. Wir hatten so etwas natürlich nicht. Es war schlichtweg zu teuer. Wir schliefen, mit Schlafsack, im Treppenhaus einen Hochhauses in einem Vorort von Prag. Wir machen uns auf den Weg dahin. Angekommen, merken wir, dass wir nicht die einzigen sind. Viele hatten diese Option gewählt. In etlichen Etagen hörte man schon das ruhige oder unruhige Schlafgeräusch der Menschen. Ich suche mir ein Plätzchen, breite meinen Schlafsack aus und schon verschwinde ich in einen Tiefen Schlaf
Am nächsten Morgen, wir hatten mit den Eiflern aus dem Westen Deutschlands vereinbart, selber Fleck(u), selbe Zeit. Also machten wir uns auf dem Weg. Es ist Freitag. Die Sonne begrüsst uns und wir schlendern durch Prag zum U Flecku. Da angekommen, sitzen die Anderen schon da. Man umarmt sich. Es ist so, als kenne man sich schon Jahre. Wieder wird viel diskutiert. Es geht natürlich um die 2 Welten Deutschlands. Die jeweilige Partei kann sich nicht vorstellen, wie es auf der anderen Seite läuft. Es gibt also viel zu berichten. Im Laufe der Zeit tauschen wir die Adressen aus. Nein. Keine Telefonnummern, so etwas gabe es zu dieser Zeit nicht.
Der Kellner kommt vorbei und will Eintritt verlangen für eine Band, die gleich spielen wird. Jeder holt sein Geld heraus. Für die westdeutschen Leute waren es nicht mal 5 Pfenninge umgerechnet, für uns schon 2 Mark. Egal. Während ich zahle, sehe ich, wie mein neuer Freund Michl aus der Eifel in Richtung Toiletten verschwindet. Ich wundere mich, schaue Jürgen an. Der grinst, verdreht bissl die Augen und zahlt für Michl mit. Es ging um 5 Pfennige ! Wenig später kommt Michl zurück. Auch er grinst über beide Ohren. Zumindest solange, bis er erfährt, dass Jürgen die 5 Pfennige bezahlt hat für ihn. Eine kleine Diskussion entfacht sich untereinander. ‚Seltame Gewächse, die Leute aus dem Westen‘, denke ich und nun bin ich es der grinst über beide Ohren.
Rolf ist aus der Not-Op raus. Es ist alles den Umständen entsprechend gut gegangen, wie man halt immer so sagt. Ree spricht mit Marita. Ich drücke ihm alle Daumen, dass er es schafft. Wir wollen ja noch gemeinsam fliegen gehen. Noch ist er auf Intensiv, wird aber morgen zwei Zimmer weiter sein altes Quartier beziehen. Marita geht nach Hause. Ree und ich reden noch eine Weile und wir entschliessen, morgen frür direkt einen Besuch abzustatten. Während die Nacht herein bricht, überlege ich: ‚Warum erzähle ich die Geschichte vom „Prager Treffen“. Wie immer im Leben gibt es Abzweige und Gabelungen, die den weiteren Weg bestimmen. Manche muss man erzwingen oder erkämpfen, manche ergeben sich. Immer aber sind es Kreuzungen, in denen das Leben eine bestimmte unumkehrbare Richtung einschlägt. Dieser Tag, der 28.05.1987 war einer dieser Tage. Ihr werdet noch sehen, warum.‘
Diesmal links anbei zum Thema U-Fleku in Prag und Videos:
Prague Beer Garden | uFlecku | Brian Rocha dot tv
uFlecku is a Beer Garden in Prague, Czech Republic. The beer was delicious, and the environment was very nice. Brian A. Rocha - http://brianrocha.me.
Von Golzow nach Prag 1986 - Eine Bier-Studienreise auf Super8
Im Herbst 1986 unternehmen wir eine Bier-Studien-Reise in die wohl bekannteste Schwarzbierkneipe Prags - ins U Fleku. Aufgenommen mit meiner ersten ...